Mit Wirkung vom 01.März 2019 habe ich mein Mandat im Rat der Stadt Esens niedergelegt.
Diese Entscheidung und die zwingenden persönlichen Gründe, die mich zu diesem Schritt veranlasst hatten , hatte ich dem Stadtdirektor mit Schreiben vom 26.02.2019 mitgeteilt.
Anlässlich der Sitzung des Finanzausschusses vom 04. März 2019 musste ich allerdings zu meinem Erstaunen von meinem Fraktionskollegen erfahren, dass SD Hinrichs entgegen meiner Bitte es nicht einmal für nötig gehalten hatte, die Ratsmitglieder über diesen Vorgang zu informieren.
( Mein o.g. Anschreiben an den SD schloss mit folgendem Satz: „ Ihnen , allen Mitarbeitern der Verwaltung und allen Ratsmitgliedern wünsche ich für die Zukunft persönlich alles Gute und stets ein glückliches Händchen bei der Wahrnehmung der Interessen für unsere Stadt und deren Bürger“).
Weder erhielt ich eine Antwort noch informierte Herr Hinrichs die Ratsmitglieder oder seine Mitarbeiter.
Erst durch die Erklärung des Kollegen Ole Willms eingangs der Sitzung erfuhren die Ausschussmitglieder von der Niederlegung meines Ratsmandats , der Stadtdirektor hatte diese Information anscheinend immer noch nicht für erwähnenswert erachtet.
Nach all den Erfahrungen, die ich im jahrelangen Umgang mit Herrn Hinrichs sammeln durfte, überrascht mich sein obskures Verhalten allerdings nicht sonderlich, bestätigt aber ein weiteres Mal eindrucksvoll meine Bewertung seines persönlichen Formats.
Dass sich auch die SPD - Bürgermeisterin Emken im gewohnten und oft geübten Schulterschluss mit Herrn Hinrichs bis zum heutigen Tag in Schweigen hüllt , sagt alles über deren Verständnis von Stil und Form....ist allerdings auch kaum noch der Rede wert und reiht sich nahtlos in das bisherige Verhaltensmuster der Beiden ein.
In der Ratssitzung vom 18. März 2019 wurde zum ersten Mal u.a. auch mein Rücktritt offiziell erwähnt und per Pressebericht des AfH unter der Schlagzeile „Neue Gesichter im Rat der Stadt“ am 20.03.2019 publiziert.
Nach mehr als sieben Jahren Ratsarbeit...und das permanent unter erschwerten Bedingungen...gab es nicht den Hauch einer Reaktion seitens der Frau Bürgermeisterin Emken oder des Stadtdirektors Hinrichs mir gegenüber auf meine Mandatsniederlegung , schon gar keine persönliche Einladung zur Verabschiedung und natürlich auch kein einziges Wort des Dankes .
Letzteres wäre möglicherweise noch nachvollziehbar, weil sie es waren , deren Amtsführung ich im besonderen Maße häufig kritisiert hatte.
Vielleicht war ihr Verhalten dieses Mal sogar nachvollziehbar und auch aufrichtig. Falsche Lobhudelei und ein oberflächliches Danke , weil politisch korrekt, hätte ihnen sowieso Niemand abgenommen...am allerwenigsten ich selbst.
Jetzt aber zum Wesentlichen.
Der Schritt, mein Mandat nieder zu legen, ist mir nicht leicht gefallen. Wie ich allen Bürgern anlässlich der letzten Kommunalwahl ( wie auch der vorhergehenden) versprochen hatte, war es mir ein Anliegen und Bedürfnis zugleich , deren Interessen und Sorgen in der örtlichen Politik eine Stimme zu geben.
Wenn auch eine fundamentale politische Neuausrichtung schon wegen der Mehrheitsverhältnisse im Rat der Stadt leider nicht durchsetzbar war, so ist es mir doch gelungen, hier und da rechtliche und zum Teil auch moralische Gesichtspunkte in die politischen Verfahrensabläufe und Entscheidungsprozesse einzubringen.
Ich weiß, das war und ist im Ergebnis nicht genug und entsprach auch in keiner Phase meinen eigenen Ansprüchen.
Ich weiß auch, dass mein Einfluss auf die Esenser Politikkultur nicht nachhaltig sein wird und die Ratsmehrheit und die Leitung der Verwaltung nach meinem Ausscheiden erleichtert in alte Verhaltensmuster zurückfallen werden....und auch zurück gefallen sind, wie ich inzwischen erfahren durfte.
Viele seit Jahren ( z.T. seit Jahrzehnten ) schwelende Probleme wurden trotz meiner permanenten Bemühungen um Abhilfe leider nicht gelöst.Die Gründe dafür sind vielfältiger Natur.
Als Beispiel kann u.a. der Haushaltsplan 2019 dienen, der ohne jede politische Diskussion verabschiedet worden ist. Die abgängigen Arkaden, die baufällige Tiefgarage und der Antrag des BZE zu einer verantwortungsvollen Parkplatzbewirtschaftung wurden schlichtweg verschwiegen.
Kein Wort zum Schwarzbau der kommunalen Entlastungsstraße und den in diesem Zusammenhang erwartbaren finanziellen Belastungen. Unerwähnt blieb auch der drohende Mangel an bezahlbarem Wohnraum, nachdem die Stadt aus sachwidrigen Gründen die über Jahrzehnte sträflich vernachlässigten städtischen Altenwohnungen für einen Spottpreis verscherbelt hatte.
Dass mein jahrelanger verzweifelter Kampf um den Erhalt der städtischen Altenwohnungen sehr wohl berechtigt war, zeigen jetzt die massiven Demonstrationen für bezahlbaren Wohnraum in deutschen Großstädten , ganz besonders in Berlin. Von Rückkauf leichtfertig an Privatinvestoren verramschter kommunaleigener Wohnungen ist die Rede, sogar über Enteignung wird schon spekuliert.
Unter dem Druck der Straße wird jetzt offensichtlich, dass die Politik der Altparteien über Jahrzehnte die Vorsorge für sozialen Wohnraum sträflich vernachlässigt hatte.
Und Esens ist diesem unseligen Trend engegen aller Warnungen leichtsinnig und verantwortungslos gefolgt.
Soziale Verantwortung, für die doch die ehemalige Volkspartei SPD einst gestanden hatte ?
Fehlanzeige !
Der Verkaufserlös kam gerade zur rechten Zeit und floss ungekürzt in die neu gegründete aber komplett überflüssige Touristik GmbH .
Dass diese GmbH nur für die Verschleierung massiver Fehlentscheidungen politisch Verantwortlicher herhalten musste, dürfte zwischenzeitlich auch dem letzten Zweifler klar geworden sein. Aber zu welchem Preis?
Was man überhaupt nur falsch machen kann , wurde in Esens auch prompt vergeigt.
Es rumpelt erwartungsgemäß nach wie vor im Nordseeheilbad Esens-Bensersiel mit einem am Tropf der Stadt hängenden kommunaleigenen TEB, wegen verfehlter und dilettantischer Personal-und Tarifpolitik sowie der sündhaft teuren aber weitgehend wirkungs- und sinnlosen Touristik GmbH.
Die Aufzählung „offener Baustellen“ und grenzwertiger Entscheidungen, zum Teil eindeutig gegen geltendes Recht , könnte noch lange fortgesetzt werden.
Viele dieser sachfremden Ratsbeschlüsse hatte ich der Leitungsebene des Landkreises in deren Funktion als Kommunalaufsicht in der Hoffnung auf Korrektur bzw. Abhilfe, sowohl mündlich als auch schriftlich , vorgetragen.... allerdings leider nur mit überschaubarem Erfolg.
Einige besonders krasse Vorgänge werden zur Zeit noch überarbeitet und sollen danach außenstehenden staatlichen Organen zur Bewertung vorgelegt werden..
Sie sehen , liebe Mitbürger, ich habe nichts unversucht gelassen, auch gegen starken Widerstand , meinem Auftrag aus dem Ratsmandat... wie versprochen... mit der notwendigen Ernsthaftigkeit und Verantwortung nachzukommen.
Wenn mich nach einer siebenjährigen Ratsarbeit schwerwiegende persönliche Gründe jetzt gezwungen haben, mein Mandat nieder zu legen, setze ich auf Ihr Verständnis für diesen Schritt..
Zum Schluss möchte ich Ihnen, die Sie mir anlässlich der Kommunalwahlen ihr Vertrauen geschenkt und mich in den Rat der Stadt gewählt hatten, meinen Dank aussprechen.
Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien für die Zukunft das Allerbeste.
Mit freundlichen Grüßen
Erwin Schultz
Nachtrag
Mich haben viele Telefonate und E-Mails anlässlich meines Ausscheidens aus der Kommunalpolitik erreicht, die mir die Bestätigung und die Gewissheit geben, dass mein Einsatz wohl doch nicht ganz vergeblich war und vielerorts gebührend respektiert und anerkannt worden ist.
Aus allen Nachrichten habe ich stellvertretend die nachstehende Mail vom 06.03.2019 kopiert, die m.E. in wenigen Worten „des Pudels Kern“ trifft.
Moin Erwin,
dem “Anzeiger” konnte ich heute entnehmen, dass Du Dein Grundmandat zum 1.3.2019 niedergelegt hast.
Ich kenne mich in der Politik nicht so gut aus, gehe jedoch davon aus, dass Du damit Deine Mitwirkung im Rat der Stadt Esens beendest. Oder ist es “anders” zu verstehen?
Damit fehlt DIE kritische Stimme im Rat und den Ausschüssen. Auch auf der Homepage werden Deine Beiträge, die ich immer verfolgt habe, sicherlich vermisst werden – schade! Aber dich werden “entsprechende” Gründe bewogen haben, die Tätigkeit zu beenden...
Ich wünsche Dir auf Deinem weiteren Weg alles Gute, insbesondere bleib gesund und munter!
Zum Schluss ein Satz aus einer Mail eines führenden Pressevertreters :
„Ihre kritische Stimme in der Esenser Kommunalpolitik wird fehlen“.
Ich hoffe und wünsche, dass sich dennoch Mut und die Bereitschaft zu
einer sachlichen und ehrlichen Ratsarbeit mit der Zeit auch in Esens
durchsetzen mögen.