Schon über Jahre geht nun die Diskussion in den städtischen Gremien um diese Wohnungen,und zwar seit der Zeit, als sich die Notwendigkeit einer Sanierung nicht mehr guten Gewissens verleugnen ließ.
Zwar hatten die eingenommenem Mietzahlungen der geduldigen Mieter über
Jahrzehnte dem städtischen Haushalt gut getan, jetzt aber ging es darum, in die
veralteten Gebäude Haushaltsmittel zu investieren.
Damit taten sich die verantwortlichen Politiker extrem schwer.
Nach quälend langer Zeit, erst vor etwa 6-7 Jahren wurden die Debatten
dann konkreter.
So wurde 2007 im Rat endlich und tatsächlich die dringend notwendige Instandsetzung erkannt und über den damit verbundenen Sanierungsbedarf, über Begriffe wie Marktwert, Veräußerung an
private Investoren, Umwandlung in Eigentumswohnungen d. h. in Teileigentum mit anschließendem Verkauf und, wen wundert es, natürlich auch über Mieterhöhungen diskutiert.
Wie ging es weiter?
Wer sich trotz jahrelanger Enttäuschungen immer noch einen Rest an Hoffnung
bewahrt und jetzt endlich mit einer positiven Entwicklung gerechnet hatte, wurde wieder einmal eines Besseren ( wohl eher „eines Schlimmeren“ )
belehrt.....viel Lärm um nichts …
Das Thema wurde verdrängt und klammheimlich von der Tagesordnung genommen, ohne jegliche Perspektive für die Betroffenen.
Erst vier Jahre später , also 2011,kam erneut Bewegung in die Angelegenheit.
Nach endlosen Debatten beschloss der Rat der Stadt Esens am 04. April 2011 zum Entsetzen vieler Bürger, insbesondere jedoch der Bewohner der Altenwohnungen, einstimmig , alle 76 Wohnungen im Rahmen eines Erbbaurechtsvertrages über 75 Jahre zu einem Erbbauzins von einem Euro jährlich zu verkaufen.
Bei der Beschlussfassung übersah der damalige Rat wesentliche Gesichtspunkte , die eindeutig gegen einen Verkauf standen.
Ich komme im folgenden noch darauf zurück.
Nach heutiger Erfahrung aus meiner zweijährigen Ratsarbeit vermute ich, dass wieder einmal alle Ratsmitglieder den Vorgaben einiger weniger Parteioberen kritiklos gefolgt sind, ohne sich selbst mit der Materie zu befassen .
Im September 2011 fanden Kommunalwahlen statt .
Der damit obligatorisch vorangehende Wahlkampf förderte Überraschendes zutage.
So teilte die SPD am 15.04.2011 im Anzeiger dem verwunderten Leser mit, dass der Verkauf der Wohnungen ein Fehler gewesen sei.
Die Grünen setzten sogar noch einen drauf.
In einer Pressemitteilung vom 07.Mai 2011 erklärten sie, dass „die Stadt Esens eine Chance vertan habe“ und der Ortsverband „grundsätzlich gegen den Verkauf sei“.
Die Leser des Harlinger und die Bürger unserer Kommune rieben sich ob solcher scheinheiliger Äußerungen nur ungläubig die Augen.
Wie war das doch ? Einstimmiger Beschluss zum Verkauf der stadteigenen Wohnungen an einen privaten Investor ?
Adenauer lässt grüßen: was kümmert mich mein Geschwätz von gestern....
Da ich die Entscheidung zum Verkauf von Beginn der Diskussionen an für
eine schwerwiegende Fehlentscheidung gehalten hatte, stellte ich
als neues Ratsmitglied mit Datum vom 29.02.2012 im neu gewählten Rat den schriftlichen Antrag , den vom alten Rat beschlossenen Verkauf der Altenwohnungen
aufzuheben und in einer interfraktionellen Arbeitsgruppe den Sachverhalt neu zu untersuchen und zu bewerten .
Nachfolgend auszugsweise einige Kriterien, mit denen ich meinen Antrag begründet hatte.
„ Alle politischen Parteien und Gruppierungen haben sich im Wahlkampf zu ihrer sozialen Verantwortung gegenüber benachteiligten Mitbürgern bekannt. Diese Versprechen gilt es jetzt ernst zu nehmen und darüber hinaus verantwortungsvoll mit unser aller Glaubwürdigkeit umzugehen.
Anhand eines Kosten- und Leistungsvergleiches zwischen Kommune und
privatem
Investor bitte ich, eine Kosten-Nutzen - Analyse durchzuführen. Diese kann durchaus wichtige Aufschlüsse über die künftige Wirtschaftlichkeit und ggfs. auch Hinweise auf mögliche Renditen
liefern.
Ich selbst habe bei der Bundeswehr im Zuge der Privatisierungs-
und Optimierungsbemühungen häufig feststellen können, dass
eigene Dienststellen und Verbände im Vergleich mit privaten
Referenzunternehmen sehr viel wirtschaftlicher
waren, sofern die gleichen Voraussetzungen galten.
Meine Meinung ist, dass die Stadt nur gewinnen kann, wenn sie in eigener Zuständigkeit und Verantwortung die Altenwohnungen modernisiert oder auch , falls wirtschaftlicher, komplett durch neue und zeitgemäße Reihenhäuser ersetzt.
Dabei ist ein besonderes Augenmerk auf die energetische Ausstattung mit Blick auf die Erneuerbaren Energien zu legen.
Für einen Verbleib der Reihenhäuser im Eigentum der Stadt spricht u.a.auch der historisch niedrige Bauzins und die Tatsache, dass die sanierten bzw. neuen Immobilien einen nicht zu unterschätzenden Wertzuwachs für das städtische Vermögen bedeuten würde .
Auf diese Weise kommt die Stadt ( und das sind wir alle) darüber hinaus ihrer sozialen Verpflichtung nach und investiert gleichzeitig in einem zur Zeit wirtschaftlich günstigen Umfeld sinnvoll und verantwortungsbewusst in die Zukunft.
Ich bitte und stelle hiermit den Antrag, eine Arbeitsgruppe zu bilden, die sich unter engen Zeitvorgaben unter Abwägung der gesellschaftspolitischen , aber auch wirtschaftlichen Aspekte noch einmal mit dem Thema befassen soll.
In dieser Arbeitsgruppe sollten alle im Rat vertretenen politischen Parteien , die EBI , die Gruppe BFB sowie ein Vertreter des Seniorenrates vertreten sein.
Der Arbeitsgruppe sind alle entscheidungsrelevanten Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
Wir sind uns im Grunde parteiübergreifend darüber einig, dass wir aus sozialer Verantwortung heraus unseren benachteiligten älteren Mitbürgern gegenüber verpflichtet sind, auch in der Zukunft dafür zu sorgen, dass in Esens angemessener Wohnraum bezahlbar bleibt.
Das können wir aber nur als Kommune sicher stellen und garantieren .
Wir alle wissen , dass unter Berücksichtigung der vielen prekären Arbeitsverhältnisse die Altersarmut weiterhin dramatisch ansteigen wird .
Was private Investoren können, kann die
Stadt im Zusammenwirken mit den
leistungsstarken örtlichen Unternehmen und Firmen mindestens ebenso gut leisten.
Für diese Entscheidung spricht auch, dass die Kreditzinsen auf einem
historischen Tief liegen und eine Gegenfinanzierung weitestgehend schon durch die Mieteinnahmen gesichert ist.
Hinzu kommt die großzügige Förderung von Mietwohnungen für ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen seitens der N Bank , die für diesen Zweck attraktive Kredite anbietet, für die ersten 15 Jahre sogar zinsfrei..
Man könnte auch die Sanierung oder, falls wirtschaftlicher ,erforderliche Neubauten über mehrere Haushaltsjahre strecken und zunächst mit den derzeit 14 freistehenden Wohnungen beginnen.
Unstrittig ist nach meiner Meinung auch, dass wir gegenüber den Mietern in der moralischen Pflicht stehen, Versäumnisse von Jahrzehnten wieder gut zu machen.
Diese Mitbürger haben über Jahre in zum Teil unzumutbaren Wohnungen leben müssen, weil notwendige Instandsetzungen bzw. Sanierungen versäumt worden sind.
Noch besteht die Möglichkeit der Wiedergutmachung mit der gleichzeitigen Chance, das Vermögen der Stadt zu mehren.
Fest steht, dass die Stadt in 75 Jahren , also nach Ablauf der Erbrechtsverträge, überalterte und abschreibungsreife Gebäude zurück bekäme.
Wir , bzw. unsere Kinder und Enkel, würden vor den gleichen Problemen stehen wie das heute der Fall ist.
So bequem dürfen wir uns das zu Lasten folgender Generationen nicht machen.
Bei allem darf man darüber hinaus ebenfalls nicht übersehen, dass
auch
Erbbaurechtsverträge Risiken
in sich bergen, da der Erbbauberechtigte dieses dingliche Recht veräußern,
vererben oder auch nur seine Pflichten daraus vernachlässigen kann.
Auch wenn dann der sogenannte "Heimfall" zum Tragen käme, wäre dieser in der Regel mit gerichtlichen Auseinandersetzungen verbunden.
Und das wäre das letzte, was wir wollen und würde am Ende wieder
die Mieter treffen.“
So viel zu meinem Antrag und dessen Begündung.
Ich wurde in meinem Anliegen von der EBI und dem Ratsmitglied der Gruppe BfB dankenswerterweise unterstützt .
Dies führte letztendlich dazu, dass eine Arbeitsgruppe ( ohne Mitarbeit des Ratsmitgliedes Kröger) die Voraussetzungen dafür erarbeitete, dass der Rat im Juli 2012 den alten Beschluss aufhob und stattdessen eine Sanierung der Wohnungen
in Eigenregie beschloss.....und man höre und staune : einstimmig !
Wahrhaftig ein Paradigmenwechsel...!
Wie wurde dieser Ratsbeschluss umgesetzt ?
Folgerichtig und in großer Übereinstimmung stellte der Rat für das Haushaltsjahr 2013 Mittel in Höhe von 500.000,-Euro in den Haushaltsplan ein.
Ein Architektenbüro ermittelte in einem Gutachten den Umfang der erforderlichen
Sanierungsarbeiten wie z.B. Dämmung der Dächer,Wände und Fußböden, Erneuerung der Heizanlagen, der Dächer,Traufen, Wasserleitungen, Elektroinstallation, Wand-und Bodenbelägesowie den Bedarf zum
Umbau der Bäder und Austausch von Türen und
Fenstern etc.
Ein weiteres Gutachten berechnete -gestaffelt nach Wohnungsgrößen - die
Sanierungskosten.
Mit diesen Vorgaben beschloss der Rat der Stadt im Juni 2013 , dass mit den Baumaßnahmen in der Wiard-Lüpkes- Siedlung begonnen werden sollte.
In einem ersten Schritt sollten zwei Gebäudekomplexe für ca. 270.000,-€, d.h. sechs Wohneinheiten für je 45.000,-Euro renoviert und energetisch aufgerüstet werden.
Zeitgleich sollte ein Zentrales Heizwerk gebaut werden. Damit wären die
für
das Jahr 2013 eingeplanten Mittel ausgeschöpft worden.
Ausschreibung und Bauleitung waren ebenfalls bereits an ein ortsansässiges
Architektenbüro vergeben worden, allerdings unter der Auflage, dass das Rechnungsprüfungsamt des Landkreises dieser geplanten Sanierungsmaßnahme noch zustimmen müsse.
So weit so gut !
Und wieder einmal wurden die Erwartungen und Hoffnungen der bedauernswerten Mieter enttäuscht.
Wir alle hatten die Rechnung ohne den Wirt, sprich: Kurverein , gemacht.
Wie hinlänglich bekannt, musste die Stadt den Kurverein vor einer drohenden Insolvenz bewahren.
Dies geschah anfangs durch nicht vorher einkalkulierte Bürgschaften und mündete letztendlich in der Übernahme des wirtschaftlichen Bereichs des KV durch die Stadt.
So musste unter diesem Zwang mit Wirkung vom 01.Januar 2014 der kommunale Eigenbetrieb „Tourismusbetrieb Esens-Bensersiel“ gegründet werden mit der Folge , dass alle finanziellen Verpflichtungen und Schulden des KV in Millionenhöhe auf die Stadt übergingen.
Unter Berücksichtigung dieser bis heute unübersichtlichen finanziellen Situation untersagte der Landkreis alle weiteren Investitionen....und der Rat konnte sich nicht dazu durchringen,diese Vorgabe der Kommunalaufsicht in Frage zu stellen und für eine Sanierung der Altenwohnungen zu kämpfen .
Nach meiner Bewertung hätte es Möglichkeiten gegeben, die
Finanzierung
der beabsichtigten Maßnahme zu stemmen, ohne den städtischen Haushalt zu gefährden.
Nicht etwa von der Sanierung der Altenwohnungen ging irgendwelche Gefahr für den Haushalt aus, sondern allein von den verantwortlichen Politikern in Rat und KV-Vorstand , die den Kurverein in den Ruin geführt ..... und darüber hinaus für weitere unabsehbare finanzielle Risiken in Zusammenhang mit der Entlastungsstraße Bensersiels gesorgt haben.
Ausblick auf 2014
Das Jahr 2013 ist also verstrichen, ohne dass auch nur ein Handwerker die instandsetzungsbedürftigen Altenwohnungen betreten hätte.
Nach wie vor ist der Haushalt der Stadt auch zu
Beginn des neuen Jahres
ungeklärt und weitgehend unausgewogen.
Mit weiteren Schuldenübernahmen über die bisher bekannte Summe
von
ca.14,3 Millionen aus dem Nachlass des Kurvereins muss gerechnet werden, da noch Rechtsstreitigkeiten mit Handwerkern und dem Architektenbüro anlässlich der Sanierung der Therme anhängig
sind....mit großem Risiko behaftet.
Sieben externe Firmen und Anwaltsbüros , die der KV im Zuge der finanziellen Abwicklung der Thermensanierung in Anspruch genommen hatte, müssen jetzt vom städtischen Tourismusbetrieb geschultert und bezahlt werden.
Die Höhe der Kosten für deren Tätigkeit ist bis dato noch nicht bekannt.
Die Höhe der Kosten für die Bezahlung des übernommenen Personals des KV ist in ihrem endgültigem Ausmaß noch nicht zu übersehen,insbesondere was die künftige Eingruppierung nach den TVöD, aber auch die Zusatzversorgungsleistungen VBL anbelangt......also ein weiterer Unsicherheitsfaktor .
Wie ein Damoklesschwert schwebt außerdem der anhängige Rechtsstreit in der Angelegenheit der kommunalenEntlastungsstraße Bensersiels mit seinen nicht absehbaren finanziellen Risiken für die Bürger unserer Stadt über uns.
Sollte der „worst case“ eintreffen, wie ich das nach sorgfältiger Abwägung aller Kriterien und nach Bewertung der Rechtslage befürchte und erwarte, wird der städtische Haushalt völlig aus dem Ruder laufen und für Jahre wird die Stadt überhaupt keine investiven Maßnahmen mehr durchführen können.
Noch sind die Haushaltsverhandlungen für 2014 nicht abgeschlossen. Eine
überparteiliche und interfraktionelle Besprechung noch im Januar diesen Jahres wird Aufschluss darüber geben, wie die Ratsmitglieder mit ihrer Verantwortung gegenüber unseren älteren und
sozial benachteiligten Gemeindemitgliedern umgehen wollen.
Für mich steht außer Frage, dass die Stadt als öffentliche Gebietskörperschaft im Rahmen ihrer Vorsorgepflicht für ältere Menschen und mit Blick auf die ständig wachsende Altersarmut den Altenwohnungen allerhöchste Priorität einräumen muss... unabhängig von allen anderen belastenden finanziellen Kriterien.
In dem Zusammenhang empfehle ich die Studie „Wohnen 65 plus“ als Lesestoff, die
allein für den Landkreis Wittmund prognostiziert, dass in den kommenden Jahren
2090 altengerechte Wohnungen fehlen werden.
Neben der sozialen hoheitlichen Verpflichtung der Kommune , darf nicht übersehen werden, dass sie auch auf dem Gebiet des privaten Rechts als Vermieter permanent, und das seit Jahren , gegen ihre Vertragspflichten aus den Mieterträgen verstößt.
Fazit:
Es darf kein Weg daran vorbei führen, in diesem Jahr endlich die Wohnungen instand zu setzen....wir sind es den Mietern und uns selbst schuldig.
Dabei hoffe ich auf entsprechende Einsichten bei meinen Ratskolleginnen und
-kollegen ...besonders aber bei der Mehrheitsfraktion der SPD/Grüne.
Erfreulicherweise ist ein erster und bedeutsamer Schritt jedenfalls getan.
Auch für dieses Haushaltsjahr sind vorsorglich wieder 500.000,-€ eingestellt worden... und das im Einvernehmen mit der Fraktion der SPD/Grüne.
Jetzt muss alles daran gesetzt werden, den guten Vorsatz auch in die Tat umzusetzen.
In den nächsten Haushaltsgesprächen müssen Details erörtert und ggfs. auch Prioritäten im Ausgabenbereich überdacht, möglicherweise verändert und festgelegt werden.
Sollte trotz aller Bemühungen die Sanierung an den haushaltsrechtlichen Hürden scheitern, muss ein anderer Weg gefunden werden.
Anbieten würde sich in solch einem Fall
u.a. die Gründung einer
Genossenschaft
unter Beteiligung privater Investoren, möglichst breit gestreut aus der Bürgerschaft kommend.
Entscheidend ist nur, dass die Stadt die Mehrheit der Anteile hält und somit auch weiterhin über die Zuteilung der Wohnungen entscheidet.
Ich werde über den Fortgang in dieser Sache weiter informieren.