So löste zumindest bei mir der „Fachbeitrag“ des BUND - Experten Uilke van der Meer Unverständnis aus, als er kampflustig verkündete, die Wiederherstellung des Vogelschutzgebietes V63 und den Rückbau der Straße dadurch erzwingen zu wollen, indem er der EU-Kommission eine entsprechende Beschwerde vorlegen werde.
Von einem Experten hatte ich allerdings erwartet, dass er wissen sollte, dass der Vorgang der EU- Kommission seit Jahren vorliegt, sogar inzwischen angereichert durch zwei weitere Beschwerden gegen die höchst umstrittene Neuabgrenzung durch das Land Niedersachsen.
Dieser Kenntnismangel mag ja noch hinnehmbar sein, jedoch der Kommentar des Umweltrechtlers der Universität Oldenburg, Dr. Ulrich Meyerholt , lässt erhebliche Zweifel an der Seriosität des Fernsehbeitrages aufkommen.
Die verblüffenden Ausführungen des Umweltjuristen zu der in der Sache ergangenen Rechtsprechung, sowohl des Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg (OVG) als auch des Bundesverwaltungsgerichtes (BVG) Leipzig, lassen den Schluss zu, dass er die Urteile nur selektiv gelesen haben kann.
Wenn er allen Ernstes der nachträglichen Legalisierung der Straße per Neuabgrenzung das Wort redet, empfehle ich ihm die Randnotizen der betreffenden Urteile des OVG und BVG sorgfältig zu studieren. Sie lassen m. E. keinen Zweifel an der Unzulässigkeit eines solchen Vorhabens zu.
Dr. Meyerholt hat meines Erachtens verkannt, dass im Fall der rechtswidrig gebauten Straße nicht das bundesdeutsche Bau- und Umweltrecht, sondern vielmehr europäisches Naturschutzrecht anzuwenden ist.
Nachzulesen im Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.03.2014 ( Az: 4 CN 3.13)
In aller Deutlichkeit führt das Gericht in seiner Begründung u.a. aus , dass bei der Durchführung von Vorhaben in einem Vogelschutzgebiet streng reglementierte Schritte einzuhalten sind.
Diese sind in der FFH- Richtlinie näher präzisiert und in der vorgegebenen Reihenfolge abzuarbeiten ( Ausweisung eines Vogelschutzgebietes, Umweltverträglichkeitsprüfung, ggfs. Abweichungsprüfung, u.U. Prüfung, ob „überwiegende Gemeinwohlbelange“ vorliegen ).
Bei letzterer ist das Bundesnaturschutzgesetz, hier § 34 Abs. 3 , mit zu berücksichtigen.
Auch vermisse ich einen Hinweis des Juristen auf das aktuelle Urteil des EuGH vom14. Januar 2016 zur Waldschlösschenbrücke Dresden , um für Klarheit in der derzeitigen Rechtslage zu sorgen.
Dieses Urteil ist m. E. zweifellos übertragbar auf die Esenser Situation.
So wird in der Urteilsbegründung u.a. unmissverständlich klar gestellt, dass eine nachträgliche Verträglichkeitsprüfung den Kriterien der FFH – Richtlinie, Art. 6 Abs.3 entsprechen muss.
Danach sind bei einer solchen Prüfung u.a. „ alle zum Zeitpunkt dieser Leistung vorliegenden Umstände und alle danach durch die teilweise oder vollständige Ausführung dieses Planes oder Projekts eingetretenen oder möglicherweise eintretenden Auswirkungen auf das Gebiet zu berücksichtigen“.
Damit steht m.E. eindeutig und zweifelsfrei fest, dass die vorhandene Straße nicht einfach ignoriert werden darf ( wie in der vorliegenden Landschaftsschutzverordnung des Landkreises geschehen ) und dass für die Bewertung der Neuabgrenzung aktuelle Datenbestände zu Grunde zu legen sind ... ....und nicht Daten aus der Zeit vor dem Straßenbau herangezogen werden dürfen....wie ebenfalls geschehen.
Und noch etwas :
Seit Jahren wird hartnäckig ausgeblendet, dass von Beginn an allen Verantwortlichen die Rechtswidrigkeit des beabsichtigten Straßenbaus bekannt war.
Bereits im Scoping – Termin am 17.11. 2009 hatte der Vertreter des Wattenrats, Manfred Knake, den Landkreis, die Stadt Esens und das Planungsbüro darauf hingewiesen, dass das vorgesehene Baugebiet in einem faktischen Vogelschutzgebiet liege und dass auf jeden Fall vor Beginn der Baumaßnahme eine FFH- Verträglichkeitsprüfung durchzuführen sei.
Dieser Hinweis auf die damalige Rechtslage wurde von allen Beteiligten vorsätzlich ignoriert, auch von dem anwesenden Rechtsbeistand der Stadt , Professor Dr. Stüer.
Grund für die Rechtsbeugung im Schulterschluss dürfte die Terminnot gewesen sein im Hinblick auf die in Aussicht gestellten Fördermittel des Landes in Höhe von fünf Millionen Euro.