Um diese Frage seriös beantworten zu können, lohnt sich ein erneuter Blick in das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes (BVG) zum Bebauungsplan 67 vom 27.03.2014.
Das BVG t legt u.a. in seinem Urteil ausführlich und begründend dar, dass das europäische Recht bei der Genehmigung von Projekten in einem Schutzgebiet ein sehr strenges Verfahren fordert, das in vier zeitlich und systematisch aufeinander folgenden Schritten zu erfolgen hat:
die Unterschutzstellung gemäß Art.7 FFH - Richtlinie (RL) ,
die an den Erhaltungszielen orientierte Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß Art.6 Abs.3 FFH-RL ,
die Abweichungsprüfung gemäß Art.6 Abs.4 FFH-RL , und
Genehmigung des Plans bzw. Satzungsbeschlusses ….. und erst anschließend der Planvollzug, z.B. des Straßenbaues.
Zitat aus der Urteilsbegründung:
"Die über Art. 7 i.V.m. Art. 6 Abs. 3 und 4 der FFH-RL, § 36 i.V.m. § 34 Abs. 1 und 3 bis 5 BNatSchG eröffnete Möglichkeit, einen Plan aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses ...durchzuführen, auch wenn er ein Schutzgebiet erheblich beeinträchtigen kann, setzt die strikte Beachtung der habitatschutzrechtlichen Verfahrensanforderungen ... voraus..... Diese verfahrens- und materiell-rechtlichen Planungsanforderungen sind für den Vogelschutz substantiell von Bedeutung.
Sie entfielen, wollte man ... die nach Abschluss der Straßenplanung vorgenommene Gebietsnachmeldung als fachliche Bestätigung der <von vornherein plausiblen> Annahmen der Antragsgegnerin zur Abgrenzung des faktischen Vogelschutzgebiets akzeptieren."
Diese kategorisch angeordnete Reihenfolge hat die Stadt Esens nicht eingehalten.!!!!!
Da die Straße aber bereits fertig gebaut ist (Schritt 4), können die Schritte 1-3 logischerweise nicht mehr dem Schritt 4 vorangehen.
Deshalb kommt das BVerwG zu dem Schluss, dass eine nachträgliche Heilung nicht mehr möglich ist.
Dieses Ergebnis schließt auch den Versuch einer nachträglichen Erstellung neuer Bebauungspläne aus.
Denn solange diese von einem Vogelschutzgebiet berührt sind - und das ist auch bei der geplanten Neuabgrenzung der Fall - müssen die habitatschutzrechtlichen Verfahrensanforderungen bei der Aufstellung neuer Bebauungspläne selbstredend ebenfalls strikt beachtet werden.
Solange die Straße also Bestand hat, bleibt Schritt 4 unstrittig vollzogen und somit ist es aus logischen Gründen unmöglich, das in der zeitlichen Abfolge streng vorgegebene Procedere einzuhalten, d. h. , die Schritte 1-3 vor dem Schritt 4 durchzuführen.
Mit anderen Worten:
Der Verstoß gegen europäisches Recht wird zwingender Weise immer auch in neuen Bebauungsplanverfahren "mitgeschleppt".
Das bedeutet, dass das lt. Stadtdirektor Hinrichs neu eingeleitete Bauleitplanverfahren aus denselben Gründen, die das BVerwG zum Bebauungsplan Nr. 67 dargelegt hat, scheitern muss.
Dazu hat das BVerwG ausgeführt ( Rand – Nr.33 ):
"Rechtsnormen, die unter Verletzung höherrangigen Rechts zustande gekommen sind, sind nicht nur - wie ausgeführt - von Anfang an (ex tunc) und ohne weiteres (ipso iure) unwirksam;
sie bleiben es auch.....Planerhaltungsvorschriften kommen insoweit nicht in Betracht."
b) Ein weiterer wesentlicher Rechtsgrundsatz im Unionsrecht, den das BVerwG in seiner Urteilsbegründung zu einem tragenden Entscheidungsgrund erhoben hat, beruht darauf, dass "ein Mitgliedstaat aus der Missachtung seiner unionsrechtlichen Pflichten keinen Vorteil ziehen soll.
Einen solchen Vorteil nimmt der Europäische Gerichtshof an, wenn sich ein Mitgliedstaat, der unter Verstoß gegen die Vogelschutz-Richtlinie ein Gebiet nicht zum besonderen Schutzgebiet erklärt, obwohl dies nach fachlichen Gesichtspunkten erforderlich gewesen wäre, sich auf Art. 6 Abs. 3 und 4 der FFH-RL berufen könnte."
Damit hat das BVerwG festgelegt, dass die Stadt Esens aus ihrem rechtswidrigen Vorgehen keinen Vorteil behalten darf.
c) Das BVerwG hat auf dieser Rechtsgrundlage der ungerechtfertigten Bereicherung außerdem entschieden, dass die Stadt Esens sogar zweimal gegen ihre unionsrechtlichen Pflichten verstoßen hat, indem sie zum einen die Straße vor der Unterschutzstellung geplant und gebaut hat und zum anderen sich damit auch noch der Notwendigkeit der Umweltverträglichkeits- und Abweichungsprüfung entzogen hat;
Wenn der Rechtsbeistand der Stadt jetzt die Auffassung vertritt, dass nach einer fachlich einwandfreien Abgrenzung des Vogelschutzgebietes durch das Land und einer anschließenden Landschaftsschutzgebietsverordnung seitens des Kreises ein neues Bebauungsplanverfahren zulässig sei, stimme ich dem uneingeschränkt zu.
Natürlich ist jederzeit und grundsätzlich ein neues Bauleitplanverfahren zulässig , nur eben nicht, soweit die vorhandene Straße dadurch berührt wird, d.h. Teil eines neu erstellten Bebauungsplanes wird .
Und genau darum geht es, wenn der Erhalt der Straße das erklärte Ziel sein soll.
Und noch etwas:
Am 14. Januar 2016 hat der Europäische Gerichtshof ein für die kommunale Entlastungsstraße Bensersiel bedeutsames Urteil gefällt.
In obigem Urteil ging es um eine Entscheidung in einem Verfahren „Grüne Liga Sachsen“ gegen den Freistaat Sachsen.
Streitgegenstand war der Bau der „Waldschlösschenbrücke“ über die Elbe bei Dresden ( Planfeststellungsverfahren ) , die ...wie im Fall der kommunalen Entlastungsstraße... im Natura -2000 - Schutzgebiet errichtet worden war und somit ebenfalls gegen die „Richtlinie zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen“ ( FFH- Richtlinie , Fauna – Flora – Habitat - Richtlinie ) verstieß.
In weiten Passagen ist das Urteil des Europäischen Gerichtshofs übertragbar auf den Sachverhalt um die KES Bensersiel.... für die damit deren Erhalt so gut wie ausgeschlossen sein dürfte.
Die Antwort auf die eingangs gestellte Frage in Kurzform:
Das neue Streitverfahren hat nach nach meiner festen Überzeugung keine Aussicht auf Erfolg, ist kontraproduktiv, erhöht nur den bereits in Millionenhöhe angerichteten Schaden und verlängert unnötigerweise den lähmenden Unrechtszustand .
Da nützt es auch nichts, wenn man in der Öffentlichkeit unwahre Behauptungen streut und sich Gesprächen mit dem Landeigner verweigert , statt den Tatsachen ins Auge zu sehen.
Nur eine außergerichtliche und gütliche Einigung zwischen den klagenden Parteien kann das Problem lösen und möglicherweise die Straße retten.
Sollte die Stadt Esens sich weiterhin diesen Überlegungen verschließen, befürchte ich eine Eskalation , die nach meiner Einschätzung kein verantwortlicher Politiker wirklich will.