Ob es einem gefällt oder auch nicht, das Kabinett in Hannover hat trotz aller vorgetragenen Bedenken und Einwände tatsächlich die Neuabgrenzung beschlossen.
Dass dieser Beschluss nicht nur nach meiner festen Überzeugung wieder gegen geltendes Europarecht und höchstrichterliche nationale Rechtsprechung verstößt, muss jeden Bürger schon fundamental in seiner Rechtstreue erschüttern, ganz abgesehen davon, dass diese schon in sich widersprüchliche Neuabgrenzung den Bestand der kommunalen Entlastungsstraße zusätzlich gefährdet und vermutlich in letzter Konsequenz jede weitere infrastrukturelle Entwicklung des Kurortes Bensersiel verhindern wird .
„Nach dem Willen der Landesregierung soll nun das Vogelschutzgebiet in der Umgebung Bensersiels um rund 27 ha Fläche erweitert werden. Diese sollten dann vom Land in Brüssel als Vogelschutzgebiet nachgemeldet werden, um die fehlerhaften Gebietsgrenzen auszugleichen“ so die Formulierung im Pressebericht.
In völliger Verkennung der Rechtslage und und schon eher lächerlich naiv ist die Annahme des Nds. Umweltministers , durch die Erweiterung des EU-Vogelschutzgebietes V63 in der Umgebung von Bensersiel schlicht um 27 Hektar Fläche den Rückbau der Umgehungsstraße verhindern zu wollen. Der strenge Sanktionscharakter der Vogelschutzrichtlinie verbietet ein solches Vorgehen, wie das BVerwG umfassend begründet hat. Denn die ausgewiesenen Flächen sind weder auf ihre Kompensationsfähigkeit untersucht worden, was nach der gefestigten Rechtsauffassung des EuGH vor dem Straßenbau hätte geschehen müssen, noch sind sie tatsächlich zur Kompensation geeignet;
im Gegenteil: aus den eigenen, im Anhörungsverfahren von der NLWKN vorgelegten Datenunterlagen geht hervor, dass die vom Nds. MU ausgewählten Flächen westlich und südlich von Bensersiel aus ornithologischen Gründen und wegen der straßenbaubedingten Biodiversitätsschäden gerade nicht als
Ausgleichsflächen für die wertbestimmenden und abgrenzungsrelevanten Vogelarten geeignet sind, weil sie von den relevanten Arten überhaupt nicht "in einem zumindest durchschnittlichem Umfang genutzt werden" (Nds.OVG vom 10.4.2013 ).
Wenn die Kompensationsflächen unter naturschutzfachlichen Gesichtspunkten Sinn machen sollen, dann doch wohl nur, wenn sie auch die konkret beeinträchtigten Erhaltungsziele angemessen kompensieren. Genau dieses Ziel kann aber durch Flächen, die nicht anhand der an den Erhaltungszielen gemessenen ornithologischen Kriterien ausgewählt worden sind, nicht erreicht werden.
Ein weiterer eklatanter Rechtsverstoß liegt in dem "Kompensationsvorschlag" des Nds. Umweltministeriums, weil die zukünftigen Baulandflächen der Stadt Esens, die aufgrund ornithologischer Kriterien zur Kompensation für den Straßenbau geeignet sind und nach den Kriterien der EU-Kommission zwingend in ein EU-Vogelschutzgebiet einzubeziehen sind , nicht in das EU-VSG einbezogen werden. Denn bei Ausgleichsmaßnahmen kommt es nicht nur auf die Größe der ausgewiesenen Flächen - wie z.B. im vorliegenden Fall 27 ha - an, sondern entscheidend ist allein die ornithologische Qualität.
Dazu sagt die europäische Rechtsprechung, dass grundsätzlich alle Flächen, die ornithologisch geeignet sind, ungeachtet ihrer Größe und ungeachtet anderer bereits gemeldeter Teilflächen in der näheren Umgebung zwingend einzubeziehen sind.
Das Land Niedersachsen kann sich deshalb nicht darauf berufen, dass es westlich und südlich von Bensersiel die Aufnahme zusätzlicher Flächen in das Schutzgebiet vorgesehen hat und daher der "Ausweisung" der zukünftigen Baulandflächen der Stadt Esens "enthoben wäre" (EuGH vom 23.3.2006 ) !
So viel zu der simplen Nachmeldung von „Ersatzflächen“ .
Es würde zu weit führen, alle Rechtsverstöße in der Neuabgrenzung aufzulisten, es sind einfach erschreckend zu viele.
Sicher scheint mir allerdings, dass die vom Wattenrat bereits alarmierte EU-Kommission nur noch auf den Eingang der umstrittenen Nachmeldung der Bundesrepublik wartet, um diese auseinander zu nehmen.
Nach meiner festen Überzeugung wird Europa wegen der für mich unstrittig in weiten Teilen vorliegenden Rechtswidrigkeit der Neuabgrenzung ein erneutes Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland einleiten...und damit wären wir bei der Prognose des Landrats „das Thema könnte über Jahre aktuell bleiben “.
Ich traue mich sogar zu behaupten : über ein Jahrzehnt und mehr !
Dass der Landrat die Rechtslage insgesamt sehr wohl realistisch einzuordnen weiß, davon bin ich überzeugt.
Nach meiner Erkenntnis weiß er auch um die Brisanz der Neuabgrenzung im Hinblick auf den Erhalt der Entlastungsstraße.
Nicht von ungefähr hat er die Bemühungen um einen gütlichen und außergerichtlichen Vergleich im vorigen Jahr unterstützend begleitet und war darüber hinaus meines Wissens in den letzten Monaten bemüht, offensichtliche Schwächen des sich abzeichnenden Kabinettsbeschlusses zu verhindern.
Dafür gebührt ihm ohne Zweifel Dank....auch wenn seine Warnungen anscheinend kein Gehör fanden.
Mir bleibt als allerletzte Hoffnung , dass der Landkreis über die jetzt zu erstellende Landschaftsschutzverordnung im Rahmen einer angemessenen Abwägungsentscheidung doch noch die Voraussetzungen für den Erhalt der Straße
zustande bringt .
Aber eines ist sicher : ohne einen gütlichen Vergleich mit dem Eigentümer geht gar nichts mehr...hoffentlich hat das jetzt auch die letzte Schlafmütze im Rat der Stadt Esens begriffen !!!!